fluc

zur wanne

IN DER KUBATUR DES KABINETTS

Wednesday, 16. May

zeigt

Re-Appropriating History

mit
Arbeiten von:
Alaa Alkurdi
Anna Jermolaewa
Christian Kosmas Mayer
Veronika Schubert
Ekaterina Shapiro-Obermair

Kurator: Walter Seidl

Die Ausstellung Re-Appropriating History versammelt Positionen, die sich mit Geschichtsbewusstsein und dessen visueller Übersetzung aus unterschiedlichen Perspektiven befassen. Die gezeigten Arbeiten hinterfragen länderspezifische Formen von Raum als Ort der Intervention und Unterbrechung, um die rasanten Veränderungsprozesse im Rahmen verschiedener historischer Wendepunkte zu enthüllen. Diese Interventionen kommen nicht immer von außen, sondern sind oftmals das Resultat interner Machtkämpfe, um die Möglichkeit zur Selbstartikulation und Selbstermächtigung durchzusetzen. Die Kamera als Medium hilft dabei, derartige Ereignisse und Situationen zu dokumentieren und eine Vielfalt an visuellen Konnotationen zu generieren. Dadurch zielen die KünstlerInnen auf spezifische Momente der gegenwärtigen bzw. unmittelbar zurückliegenden Geschichte, die ein notwendiges Verständnis für aktuelle Veränderungen einfordern, um visuelle Paradigmen und deren vorherbestimmte Argumentationsweisen herauszufordern.
Die Verhandlung von Geschichtsmomenten tritt in den Foto- und Videoarbeiten in unterschiedlicher Art und Weise zum Vorschein. Entweder wird auf detaillierte historische Ereignisse Bezug genommen und diese anhand der ProtagonistInnen videotechnisch ergründet, oder auch Filmgeschichte als Ausgangspunkt künstlerischer Narration verwendet. Found Footage dient ebenso als Ausgangsmaterial einer erweiterten Blickweise auf historische Ereignisse und deren medialen Verbreitung. Während globale historische Phänomene verhandelt werden, kann es aber auch zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst und Formen von persönlicher Geschichte kommen, die künstlerisch artikuliert wird.
Die Ausstellung destabilisiert die einstige Debatte um Zentrum und Peripherie, indem sie nicht nur die dominanten Narrative aufgreift, sondern sich auf unterschiedliche politische Territorien bezieht, in denen Konflikte aus einem Mikrokosmos an deregulierten Machtverhältnissen entstehen. Die prinzipielle Frage hängt damit zusammen, wie jenen Konflikten ein Ende bereitet werden kann, die aus vielen unterschiedlichen Gründen entstanden sind, Konflikte, die nicht immer kontrolliert werden können, jedoch gelöst werden müssen, um der kulturellen Vielfalt erneut Geltung zu verschaffen.

DJ: Walter Seidl

Alaa Alkurdi, Lichtpause, 2018, s/w Fotocollage
Der in Palästina geborene und derzeit staatenlose Syrer Alaa Alkurdi setzt sich mit den analogen Methoden von Fotografie und Film auseinander und schuf speziell fürs FLUC die Arbeit “Lichtpause”. Normalerweise handelt es sich bei diesem Verfahren um die Vervielfältigung einer auf durchsichtigem Papier oder Film angefertigten Zeichnung. Jedoch spielt auch bei der analogen Fotografie Licht die zentrale Rolle zur Sichtbarmachung von Objekten und Subjekten mittels Film. In Alkurdis Arbeit werden unterschiedliche Körperteile, vom Künstler und anderen Personen sichtbar, die ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten bieten. In der aktuellen Migrationsdebatte stehen Menschen und ihre Körper im Zentrum der Betrachtung, wobei ihnen oftmals der Subjektstatus aberkannt wird und sie wie Objekte behandelt werden, deren Wertigkeit keinen unmittelbaren Prioritätsstufen unterliegt. Alkurdi versucht in seiner Arbeit, jene oftmalige Vorverurteilung von Personen bewusst abzuwehren, indem er schlicht und einfach Körperteile zeigt, die sich auf eine Gegenwart von (in Österreich) lebenden Personen beziehen und die persönliche Geschichte jedoch ausblenden. Er verhandelt dadurch einen demokratischen Blick auf Menschen, deren Ethnie oder nationale Herkunft in einem post-digitalen Zeitalter keine Rolle mehr spielen sollten, aber aufgrund der aktuellen globalen Politik immer wieder reaktiviert werden.

Anna Jermolaewa, Back to the Silk Routes, 2010, HD-Video, 1 h 10 min
Anna Jermolaewas Video entstand im Rahmen der Wiener Festwochen in Form einer Milieustudie am Naschmarkt. Dort recherchierte die Künstlerin, dass zahlreiche Geschäftsleute aus Usbekistan stammen, viele davon aus Samarkand auf dem Gebiet der Seidenstraße. In den 1970er und 80er Jahren haben etwa 17.000 bucharische Juden die Sowjetunion aufgrund antisemitischer Diskriminierung verlassen, vorwiegend um nach Israel auszuwandern, einen Teil hat es über Umwege nach Wien verschlagen, wo heute eine ständig wachsende bucharisch-jüdische Gemeinde von rund zweitausend Personen lebt. Viele von ihnen haben ihre Heimatstadt seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Im Video begibt sich Jermolaewa anhand von Interviews auf die Suche nach Erinnerungen an die Kindheit, nach Sehnsüchten und psychischer Motivation. Und so entstand ein Porträt von MigrantInnen, die Grüße an die Zurückgebliebenen ausrichten, Geschenke mitgeben sowie um einige Dinge bitten, wie das Mitbringen von Maulbeeren, gelben Feigen, gesalzenen Aprikosenkernen sowie die Aufnahme von Bildern zahlreicher Erinnerungsorte wie dem Friedhof, die Puschkin-Bibliothek oder dem einstigen Zuhause, wo mittlerweile andere Leute leben. Jermolaewa bedient sich somit den Methoden einer Oral History, die das Vergangene in die Gegenwart holt und ein subjektiv gefärbtes Bild einer nicht wieder bringbaren Zeit entstehen lässt.

Christian Kosmas Mayer, Filmstill aus “Windjammer” von einer Kopie des Cinemiracle Films aus dem Archiv des Schwedischen Filminstitut: S/S Christian Radich und Pamir treffen mitten auf dem Atlantik aufeinander, 2010, Digitaldruck
“Windjammer” ist ein Film aus dem Jahr 1958 und als Travelogue/Reisebericht angelegte Verfilmung einer Übungsfahrt des norwegischen Segelschulschiffs S/S Christian Radich von Oslo über den Atlantik und die Karibik nach New York und wieder retour. Im Wiener Gartenbaukino hatte “Windjammer” 1961 seine Premiere und lief 37 Wochen, was ihn in diesem Kino zum bislang am längsten gezeigten Film machte. Die Technik des Films, Cinemiracle, ist ein in den 1950er Jahren entwickeltes Breitbildverfahren, das mit drei Kameras gleichzeitig aufgenommen und im Kinosaal mit drei Projektoren abgespielt wurde. Das Verfahren konnte sich wegen der aufwendigen Technik und den enormen Kosten jedoch nicht durchsetzen. So blieb “Windjammer” der einzige Film, der je mit dieser Technik produziert wurde. Mit dem Verschwinden von Cinemiracle verschwand “Windjammer” ab Mitte der 1960er Jahre fast völlig von der Bildfläche. Die originalen Negative sind heute nur noch unvollständig und in schlechtem Zustand erhalten. Christian Kosmas Mayer begab sich in seiner Recherche nach den Überresten dieses Films im Archiv des Schwedischen Filminstituts in Stockholm, wo ein Scan jenes Einzelbildes in Auftrag gegeben werden konnte, das hier zu sehen ist. Im Film trifft die S/S Christian Radich mitten auf dem Atlantik durch Zufall auf das deutsche Segelschulschiff Pamir. 1949 war sie das letzte Segelschiff ohne Hilfsmotor, welches das Kap Horn auf Frachtfahrt umrundete. Als sie 1957 der S/S Christian Radich begegnete, war sie auf der Reise nach Buenos Aires, von wo sie Gerste zurück nach Hamburg bringen sollte. Auf der Rückfahrt geriet sie bei den Azoren jedoch in einen Hurrikan und ging mit nahezu der gesamten Besatzung unter. Der Untergang der Pamir wurde in Deutschland als nationale Katastrophe empfunden und führte zum endgültigen Ende der frachtfahrenden Segelschiffe. Die Bilder von der Begegnung der beiden Schiffe im Film “Windjammer” sind die letzten bewegten Bilder, die je von der Pamir gemacht wurden.

Ekaterina Shapiro-Obermair, Geführt, 2015, HD-Video, 11 min 35 sec
Ekaterina Shapiro-Obermair dokumentiert in ihrem Video eine Führung durch das Landgut “Leninskije Gorki” in Gorki, wo Lenin die letzten Jahre seines Lebens verbrachte und wo er 1924 verstarb. 1949 wurde dort ein Museum eingerichtet, das nach wie vor in Betrieb ist. Nach dem Ende des kommunistischen Regimes verlor das Museum seine Anziehungskraft für die einst zahlreichen BesucherInnen. Das Grundkonzept konnte nicht länger in seiner ursprünglichen Form aufrechterhalten werden und so trat auch die Geschichte der enteigneten Vorbesitzerin des Hauses, Sinaida Grigorjewna Morosowa-Reinbot ans Licht. Die Witwe eines prominenten Kunstmäzens hatte den bekannten Jugendstilarchitekten Fjodor Schechtel engagiert um die Villa mit modernster Technik sowie teuren Möbelstücken und Gegenständen, die von Meißner-Porzellan über symbolistische Gemälde heimischer Meister bis hin zu einem aus Amerika importierten Klavier der Firma Crown reichen, auszustatten. Während der Sowjetzeit waren die Möbel mit weißen Bezügen überdeckt, um zu verbergen, in welch großbürgerlichem Prunk Lenin lebte. Durch diesen Umstand überschneiden sich im Video zwei Narrative: jener der Revolution und jener der Bourgeoisie. Dies lässt sich auch an der Diktion der Führung erkennen, die zwischen Versatzstücken der Sowjetpropaganda und dem Vokabular einer Immobilienmaklerin oszilliert.

Veronika Schubert, Wartime Conditions, 2003, Found Footage Video, 4 min 40 sec
Veronika Schuberts dreiteilige Videoarbeit wurde mit Found Footage TV Material erstellt und beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie die Berichterstattung während des Irak-Krieges 2003 ablief. Dadurch analysiert sie Medienkanäle und den Informationsgehalt, der in seiner Knappheit nur geringe Inhalte liefert. Das Video verdeutlicht die Verdichtung der Berichterstattung, die kaum mehr als über die Tatsache des Vorgangs selbst Auskunft gibt. Zur Veranschaulichung der wenigen vorliegenden Fakten griffen die Fernsehsender auf verschiedene Techniken zurück. Die drei Abschnitte des Videos beschreiben die folgenden Schwerpunkte: Einerseits kommt es zu einer 3D-haften Animation der Bebilderung, wenn keine real greifbaren Videobilder vorliegen. Darüber hinaus werden Landkarten zur geografischen Einordnung und zur Darstellung von Truppenbewegungen und Angriffszielen verwendet, die nur schemenhaft den aktuellen Tathergang skizzieren. Aufgrund eines Mangels an konkreter Information vor Ort werden oftmals auch mehrere Live-Schaltungen zugleich eingesetzt, die an die babylonische Sprachverwirrung erinnern, die einer Heerschar an Übersetzer_innen bedarf, um der eigentlichen Sache auf den Grund zu gehen. Schubert thematisiert somit die Vormachtstellung der Medien, die unser visuelles Bewusstsein steuern, ohne jedoch allgemein gültige Aussagen über das Gesehene und seine historischen Dimensionen treffen zu können.


Transcultural Emancipation
mit

ANTICAMERA, (Gloria Luca and Tudor Pătraşcu)
Kelly Lloyd
Saša Tatić

Billboardprojekt in Kooperation mit BKA und Kulturkontakt Austria
kuratiert von Ursula Maria Probst

Im Rahmen einer von Ursula Maria Probst kuratierten Kooperation mit dem Bundeskanzleramt und KulturKontakt Austria werden die an den Außenflächen installierten Billboard-Wände des Projektraumes Fluc bespielt. Einer politischen Praxis von Kunst im Stadtraum folgend, wird damit den internationalen Kunstschaffenden Andrea Palašti und Paloma Tendero, die sich für drei Monate als Artists in Residence von KulturKontakt Austria und Bundeskanzleramt in Wien aufhalten, eine Interventionsfläche im öffentlichen Raum geboten.

Worin bestehen emanzipatorische Prozesse zur Befreiung von gesellschaftlichen Normen, von medienpolitisch und neoliberalistisch einschlägig konstruierten Weltanschauungen heute? Bei den anlässlich von “Transcultural Emancipation” realisierten Projekten ist die Auseinandersetzung mit der transkulturellen Situation am Wiener Praterstern ebenso wichtig wie die Hinterfragung dessen, wie künstlerische Arbeit in eine gesellschaftspolitische Dimension überführt werden kann.

ANTICAMERA, (Gloria Luca and Tudor Pătraşcu), Untitled, 2018
On display is a conceptualized translation of a verse from the “We stopped” poem by the Romanian writer Gellu Naum. The billboard installation work encodes the two artists´ intervention in the area of the Praterstern square in a poetical yet analytical key. The text-based work conveys the rising of the global tensions which cause social (existential) anxiety. The piece functions as a reflective non-representation of the social injustices, the failures of multiculturalism, as well as the common difficulties that people with different backgrounds share on a daily basis.

ANTICAMERA is a collaborative art duo composed of Gloria Luca and Tudor Pătraşcu. They both live and work in Iasi, Romania.Commonly understood as a waiting room at the entrance to a workroom/cabinet of a person in the public service, the Romanian term “anticamera” functions as a metaphor for the premeditation of a series of actions that problematize the flexibility of the space from a conceptual perspective. The two artists operate with methods specific to the intermedia and cross-disciplinary practices.

Kelly Lloyd, Fleeting Monument for the Wall of Respect (Marcus Garvey), 2018, Billboard
Kelly Lloyd, Fleeting Monument for the Wall of Respect (Thelonious Monk and John Coltrane), 2018, Billboard

The Wall of Respect was a mural painted by the Visual Arts Workshop of the Organization of Black American Culture, which existed in South Side Chicago (U.S.A.) from 1967 until 1971. The Wall of Respect featured African-American heroes and heroines, from writers to politicians to theologians and athletes, and created a place for social, political and musical gatherings. Since the Fall of 2017, The Museum of Vernacular Art has commissioned artists, art historians and activists to create Fleeting Monuments to the Wall of Respect, which will be featured in an upcoming publication with Green Lantern Press.

Marcus Garvey, Theolonius Monk, and John Coltrane were all heroes featured on the Wall of Respect. While Garvey’s words take the uncertain future of political regimes as a point of certainty for the success of liberation struggles of Black people, Coltrane’s words reflect on his artistic collaborations with Monk, and the thrillingly challenging nature of artistic collaboration itself. Garvey, Monk and Coltrane are highlighted here, as Wall of Respect heroes, because of their ties to Austria, as a historical example, a venue, and perhaps an unexpected collaborator.

Kelly Lloyd is a multidisciplinary conceptual artist who focuses on issues of representation and knowledge production and prioritizes public-facing collaborative research. Lloyd received a dual M.F.A. in Painting and M.A. in Visual & Critical Studies from the School of the Art Institute of Chicago in 2015, and earned a B.A. from Oberlin College in 2008. Recent projects include a solo exhibition at Shane Campbell Gallery, “Fleeting Monuments for the Wall of Respect” for the Museum of Vernacular Art, and inclusion in “Habeas Corpus” at the Indianapolis Museum of Contemporary Art. Lloyd performed with Jesse Malmed and ACRE TV at Chicago’s Museum of Contemporary Art in 2016, and her essay “Katie Sokoler Your Construction Paper Tears Can’t Hide Your Yayoi Kusama Neurotic Underbelly” is included in The Retro-Futurism of Cuteness (punctum press, October 2017). Lloyd was named one of NEWCITY’S “Breakout Artists of 2015” and was a 2017 Janet & Walter Sondheim Prize Semi-Finalist. In 2018, Lloyd will attend artist residencies in Aarhus through the Aarhus Center for Visual Art, and in Chicago through ADDS DONNA.

Saša Tatić, Worth of Gold When a Home is made, 2018, Billboard
Old bricks that were previously used as a material for construction of a house still holds the potential for its recreation, a habitual place commonly accepted as home. As the identical content of two photographs, with a small intervention that created `before and after´ relation, they ask for recognition of fundamental values which under the flux of life often stay hidden and forgotten.

Saša Tatić *1991 (Bosnia and Herzegovina) Co-founder of a project for popularization of contemporary art in Bosnia and Herzegovina ‘APARTMAN’. Graduated from MFA - Public Art and New Artistic Strategies at Bauhaus University, Weimar (Germany). Winner of several grants and awards in field of Visual Arts. Participated in number of solo and group exhibitions, festivals and projects.


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