Kunst im Fluc
Transformation einer Fussgängerunterführung
Klaus Stattmann
Fluc_2 , Wien 2006
In städtebaulich zentraler Lage am Wiener Praterstern werden eine Fußgängerunterführung und eine ehemalige öffentliche WC-Anlage zum Ausgangspunkt für das Veranstaltungslokal Fluc_2, nachdem der legendäre Musik- und Kunstklub Fluc_1 den Umbauarbeiten am Verkehrsnotenpunkt im Zuge der Fußball-EM weichen musste.
Die Architektur der Ein- und Anbauten ist der performativen Praxis des Flucs verpflichtet, die von situativen Umgestaltungen geprägt wird. Ein Container-Ensemble wird von riffartigen Strukturen (siehe auch Riff Wien) besiedelt und mit Elementen von Eigenbau und Bricolage kombiniert. Unterhalb und entlang der 4spurigen Stadtstraße entsteht ein "Parcour Accidental" aus lose aneinander gekoppelten "fluctuated rooms" mit differenzierten schalltechnischen Voraussetzungen, Bespielungssituationen und Umbaumöglichkeiten. Die dreidimensionale Kontingenz dieser "unaufgeräumten Lade" ordnet sich keinem Imperativ des Ganzen unter. Das Fluc_2 ist der materialisierte Beweis, dass Partizipation nicht durch pseudoneutrale Behälter angeregt wird, sondern durch ästhetische und strukturelle Differenziertheit; sofern sie sich als kontingente und partiell temporäre Aufführung von räumlichen Zusammenhängen zu erkennen gibt.
Operative Zwischenkörper, Stadt zwischen Landschaft und Bühne
Welche Qualitäten brauchen öffentliche Räume in der Stadt? Welche Eigenschaften – über das simple Kriterium der öffentlichen Zugänglichkeit hinaus – machen öffentliche Räume zu lebendigen sozialen Räumen? In der aktuellen urbanistischen Praxis wird der Handlungsspielraum der Architektur zunehmend beschnitten.
Architektur wird mit der Gestaltung einzelner Stadtmarker und darüber hinaus mit der reibungslosen Verwaltung von Raum beauftragt. Sie findet sich eingemeindet in den allgemeinen Trend eines Social Engineering, das sich auf das Funktionieren und die Kontrolle des Urbanen konzentriert. Die Strategie der Vermeidung von Konflikten durch Spezialisierung und Ausgrenzung soll das reibungslose Funktionieren des Öffentlichen garantieren.
Der Praterstern vom Riesenrad aus
Das Fluc_2 fordert seine BenutzerInnen heraus, wie das interessante Landschaften tun. Die Bespielbarkeit der Räume verändert sich ständig. Die wechselnden BenutzerInnen transformieren die Raumgefüge, bauen an, reißen weg und überschreiben bestehende Oberflächen. Architektur wird für Architektur zur Bühne, auf der räumliches Handeln erprobt und verworfen werden kann.
Eine bestehende, heruntergekommene Fußgängerunterführung und eine ehemalige öffentliche WC-Anlage am Praterstern dienen als architektonischer Ausgangspunkt/Baugrund für das neue Fluc_2. Das ursprüngliche Konzept der "Fluctuated Rooms" 1 verschiedener performativer BenutzerInnensituationen wird im neuen Konzept um die Möglichkeit, zwischen verschiedenen singulären Raumsequenzen wechseln zu können, erweitert.Es ensteht ein "Parcour Accidental" bestehend aus lose aneinandergekoppelten einzelnen "Fluctuated Rooms" mit unterschiedlichen internen BenutzerInnensituationen. Wie die unterschiedlichen einzelnen "Fluctuated Rooms" zueinander in Beziehung treten, was aus den individuellen Potentialen räumlichen Handelns hervorgeht, bleibt unvorhersehbar2. Im Spiel der einzelnen Transformationen oszilliert die Fußgängerunterführung zwischen temporären Nutzungsfall und permanentem öffentlichen Stadtraum. Eine ehemals verwahrloste Fußgängerunterführung potenziert sich in einen mannigfaltig bespielbaren Stadtraum.
Städtebauliches Konzept: Aufwertung der bestehenden Fußgängerunterführung Praterstern – Ausstellungsstrasse durch Einhausung und Bespielung durch ein Veranstaltungslokal mit flexiblen Nutzungssituationen bei möglicher Beibehaltung der bestehenden Funktion der Fußgängerunterführung.
11 Mannschaftscontainer werden U-förmig um die Eingangsöffnung des Ausganges Richtung Bahnhof Praterstern gruppiert. Der Durchgang bleibt ungehindert erhalten.Die Unterführungspassage wird für verschiedene Nutzungssituationen temporär bespielbar gemacht, in einzelnen Fällen für Konzerte genutzt. Um den entstehenden Konzertlärm einzudämmen, werden 2 schwenkbare Schleusentore installiert, die im Konzertfall einen schalldichten Raum bilden und nach Beendigung des Konzertes wieder zur Seite gedreht werden können.
Die ehemalige Toilettenanlage wird ausgeräumt und renoviert und mit einer Fluchtrampe ins Freie versehen. Der Treppenausgang Richtung Ausstellungsstrasse und Gabor Steiner Weg bekommt auf der bestehenden Geländerkonstruktion eine Einhausung die auf dem Zwischenpodest eine schwenkbare Eingangsschleuse aufweist. Außer im Konzertfall bleibt die Unterführung eine vollwertige Fußgängerpassage, die zusätzlich mit Funktionen versehen wird (Passagengalerie, Info-walls zu aktuellen Pratergeschehnissen etc.).
Durch die zusätzliche Bespielung wird die Passage sicherer, interessanter und freundlicher, da durch die Präsenz eines geöffneten Lokales der gegenwärtige Missbrauch der Passage als WC verhindert werden kann.
(Text Klaus Stattmann)
Auftraggeber und Kooperationspartner: Fluc Bock & Wagner OEG