Kunst im Fluc
URBAN SIGNS
LOCAL STRATEGIES (continued)
02.10.2009 - 01.12.2009
URBAN SIGNS - LOCAL STRATEGIES - CONTINUED hinterfragt das Potenzial einer kritischen Praxis von Kunst im öffentlichen Raum sowie das Zusammenwirken von ästhetischer Form und gesellschaftspolitischem Aktivismus. Acht KünstlerInnen realisieren sechs Projekte rund um den Bahnhofsplatz des Wiener Pratersterns und führen eine offene interventionistische Diskussion über den aktuellen Status Quo von öffentlichem Raum.
Marita Fraser + Alex Lawler, Heavy Work (stack), (2009), Installation
Sonja Gangl, 1 : 2,35, (2009), Installation
Nikolaus Gansterer, The Urban Alphabet, (2009), Intervention
Christian Mayer, Versetzung der Welt, (2009), Intervention
Viktoria Tremmel + Andreas Strauss, TS_001_LUX, (2009), Installation
Johannes Vogl, O.T. (Lichtung), (2009), Installation
Kuration: Ursula Maria Probst, Walter Seidl und Martin Wagner
Eröffnung: 01.10.2009 19:00 Fluc und Vorplatz
Zur Ausstellung spricht: Martin Fritz
Dj-Line ab 20:30 : Kerstin von Gabain // Sonia Leimer (feat. Female Obsession) // Severin Dünser // Nicolas Jasmin
Dauer: 02.10.2009 – 01.12.2009
Marita Fraser & Alex Lawler, Heavy Work (stack), 2009, Installation
Marita Frasers & Alex Lawlers Intervention „Heavy Work (stack)“ (2009) im öffentlichen Raum basiert auf Materialien mit welchen urbane Domänen besetzt werden wie Absperrungen aus Beton.
Als vorgefundene Materialien im Stadtraum sind sie uns als multifunktionales Stadtmobiliar bekannt und werden vorwiegend an Straßen-Baustellen eingesetzt. Die KünstlerInnen regte diese Präsenz des Materials dazu an, es als Ausgangspunkt für ein installatives Projekt zu verwenden und so mit dem städtischen Mobiliar eine funktionale Verschiebung vorzunehmen.
Als Ort, der durch den Neubau des Bahnhofs Nord in den vergangenen fünf Jahren markante Transformationsprozesse durchlief und dessen Umbau nun in die Endphase geht, bildet der Wiener Praterstern eine Zeitschnittstelle, an der die Wahrnehmung urbaner Strukturen sich neu formiert. Das urbane Display, das uns die moderne westliche Stadt heute bietet, funktionierttendenziell als kontrolliertes Playscape, als Bühne für Inszenierungen einer globalisierten Ikonografie und eines schnell konsumierbaren „Instant Urbanismus“. Öffentlicher Raum ist heute zwar frei zugänglich, allerdings nicht ohne Einschränkungen frei benutzbar. Die Verbindungen, Verschiebungen, Interferenzen und Bezüge zur urbanen Praxis im Stadtraum rund um den Wiener Pratersternsind der Ausgangspunkt der künstlerischen Projekte und kritischen Praxis von <URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES – CONTINUED>.
Die Ausstellung < URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES – CONTINUED > im urbanen Raumanalysiert das Ineinanderspielen von <ZEICHENVERSCHIEBUNG – RAUMPRODUKTION – URBANISMUSKRITIK> durch Installationen und Interventionen.
< URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES – CONTINUED > hinterfragt das Potenzial einer kritischen Praxis von Kunst im öffentlichen Raum sowie das Zusammenwirken von ästhetischer Form und gesellschaftspolitischem Aktivismus.Wie verschiebt sich das Koordinatensystem von urbanen Raum, dessen Wahrnehmung und Empfindung durch künstlerische Interventionen? Bezweckt wird damit eine Verschiebung im Verständnis dafür, was Kunst überhaupt ist. Im Sinne desfranzösischen Philosophen Jacques Rancière betrifft dies die künstlerische Arbeitsweise ebenso, wie eine Logik des Ästhetischen, die einen möglichen aktiven, emanzipierten Zugang der PassantInnen mitdenkt. Acht KünstlerInnen realisieren sechs Projekte rund um den Bahnhofsplatz des Wiener Pratersterns und führen eine offene interventionistische Diskussion über den aktuellen Status Quo von öffentlichem Raum. Die Realisierung von Kunst im öffentlichen Raum bedeutet das Schaffen von Diskussionsplattformen, durch welche nicht nur das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeiten ausgelotet, sondern neue Erfahrungsräume bewirkt werden.
Es handelt sich um Mobiliar, das markiert, dass öffentlicher Raum nicht frei benutzbar ist und hinterfragt in seiner künstlerischen Transformation dessen Beschränkungen, sowie die Aufsplittung in unterschiedliche Öffentlichkeiten. Die Beziehung ihrer formalen Simplizität und Reduktion, sowie ihrer tonnenschweren Präsenz und Größe wird durch künstlerische Eingriffe thematisiert und durch minimalistische, malerische Codierungen einer Neuanordnung unterzogen.
Ein Projekt, das durch die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Außenraum der Stadt, deren Topografie und deren aktuellen Entwicklungen rund um den Praterstern entstanden ist.
Im urbanen Handeln wird Stadt erzeugt und werden neue Erfahrungsräume produziert, lautet eine These des erneut an Aktualität gewonnenen Urbanografen Michel de Certeau, die hier auf ihre praktische Tauglichkeit getestet wird. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, wie sehr Kunst im öffentlichen Raum mit einer gewissen „site specificity“ zusammenspielt.
Sonja Gangl, Sonja Gangl : 1 : 2,35, 2009, Installation
Sonja Gangls künstlerische Technik beruht auf einer präzisen Medienanalyse einzelner, Begehren erweckender Bildinhalte, in der das Minimieren von bildlicher Information bzw. die Zensur von Bildteilen ein Mehr an subjektiver Realität generiert.Schuss und Gegenschuss, das Selbst und das Andere werden dadurch als psychosoziale Komponenten einer wirklichkeitsstiftenden Bildhaftigkeit mittels künstlerischem Verfahren ins Treffen geführt.
Die Installation, die Sonja Gangl im Zusammenhang mit dem Projekt „Urban Signs-Local Strategies –Continued, 2009“ am Wiener Praterstern als Kunst im öffentlichen Raum Projekt am Fluc realisiert, ist eine 2,81 x 6,60 m große Letterboxingarbeit. Ihre Letterboxingarbeiten basieren auf Sonja Gangls intensiver Beschäftigung mit Filmtheorie und der Funktion von Cinemascopebalken, die das Filmverhältnis definieren und verschiedene Dimensionen gestalten.
Sonja Gangl: „Der Begriff „Letterboxing“ wird für Möglichkeiten in der Kodierung von Breitwand-Filmen verwendet. Es wird die Proportion beibehalten und das Bild soweit geschrumpft, bis die Bildbreite passend für einen 4:3 Fernseher ist.
Oben und unten bleiben dann jedoch Bereiche ohne Bildinformationen übrig; das Bild erscheint wie durch einen Briefkastenschlitz betrachtet – daher der Name „Letterboxing“. Was mich an dieser Methode für meine Arbeiten interessiert ist die Frage der noch möglichen Lesbarkeit und das Verstehen einer minimalen Bildinformation.
Durch die Realisierung dieser großformatigen Arbeit am Außengebäude des Fluc kann ich dieses Cinemascope-Verfahren im Seitenverhältnis 1:2,35 weiterentwickeln. Basierend auf bereits von mir ausgeführten fotografischen und filmischen Arbeiten zu diesem Thema wird hier stellvertretend für alle möglichen Abbildungen und Filmausschnitte nur ein schmaler Streifen mit weißem Licht zu sehen sein.“
Nikolaus Gansterer, The Urban Alphabet, 2009, Installation
Nikolaus Gansterers Intention besteht darin, den urbanen Raum (Verkehrsknotenpunkt Praterstern Wien) mit einer eigenen Kartographie (Stadtpläne) in Form eines Urban Alphabets zu konfrontieren und dadurch das Phänomen einer stark vernetzten und urbanisierten Welt zu visualisieren.
Aus Kartenmaterial urbaner Agglomerationen erstellt Nikolaus Gansterer eine Selektion von Stadt-Zeichen (Urban Characters) in alphabetischer Reihenfolge.
Jedes abgebildete Zeichen ist ein Buchstabe eines fikitiven Alphabets und Ausdruck einer globalen Sprache. Durch die Präsentation in Form einer Wandtafel mitten im Stadtraum wird diese Methode des Erlernens und der Weitergabe von Wissen für PassantInnen im öffentlichen Raum zugänglich.
Als Präsentationsort fiel die Wahl auf Vorplatz vor dem Bahnhof Wien Nord gegenüber dem Veranstaltungs- und Projektraum Fluc. Die neue Wandverschalung des Gleiskörpers mit seiner schwarzen Oberfläche erinnert an eine Schultafel und eignet sich perfekt durch Größe, Beschaffenheit und Sichtbarkeit für die Intervention.
Christian Mayer, Versetzung der Welt, 2009, Intervention
Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts steht ein Modell der Erde direkt neben dem Planetarium Wien und im Schatten des Riesenrads. Diese Weltkugel, das größte Modell unseres Planeten, das in Wien zu finden ist, hat sich über die Jahre nicht verändert.
Drehbar auf einer Achse aufgestellt, wird es von Zeit zu Zeit von PassantInnen in Bewegung versetzt und von Kinderaugen bewundert. Doch über die Jahrzehnte hinweg und mit der zunehmenden Veränderung des Würstlpraters geriet die Weltkugel immer mehr ins Abseits.
Ihr Anblick ist heute der eines in die Jahre gekommenen Relikts einer anderen Zeit, das nicht mehr ganz in die glitzernde und laute Umgebung zu passen scheint. Gedreht wird sie immer seltener.
Für das Projekt am Praterstern wird diese Weltkugel temporär nur um wenige hundert Meter mitten auf den neu gestalteten Bahnhofsplatz versetzt.
Den Prozess leitet Christian Mayer mit einer Performance am Standort Planetarium ein. Eine Videoproduktion davon läuft während der Ausstellung <URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES – CONTINUED>im Veranstaltungsraum Fluc.
Innerhalb der nächsten Monaten wird sich die Weltkugel aus ihrer Randlage beim Plantarium auf den Bahnhofsplatz bewegen und dann im Mittelpunkt stehen, um von Tausenden Passanten wahrgenommen oder bewegt werden.
Mit ihrer Anwesenheit verweist die Weltkugel im Kontext des neuen Standortes auf den Bahnhof als potentieller Start- und Endpunkt für jede Reise, als Ausdruck eines Begehrens nach der Welt und auf eine Geschichte des Praters, die im Kern immer wieder daraus bestand, die große weite Welt mittels verschiedenster Medien und Inszenierungen nach Wien zu holen.
Viktoria Tremmel Andreas Strauss, TS_001_LUX, 2009, Installation
er „TS 001 LUX“ ist ein Tor, Durchgang, aber auch Automat. Ab Oktober wird das Objekt inmitten einer Baustelle am Bahnhof Praterstern platziert, wo es den (wartenden, stehenden und gehenden) PassantInnen als eine Art „Lichtdusche“ dienen soll.
Lichtquellen im inneren des Objekts strahlen durch einen möglichst dichten Schnürlvorhang nach außen und verleihen dem Objekt so eine geheimnisvolle Aura, die zum Erkunden und Durchschreiten anregen soll.
Im Inneren werden spezielle Tageslichtlampen installiert, die auch therapeutisch gegen Depressionen eingesetzt werden. Der öffentliche Raum wird so zu einem Möglichkeitsraum umfunktioniert, der das alltägliche Treiben am Bahnhof für kurze Zeit ausblendet und vom Besucher als minimalistisches Lichtobjekt betrachtet, als „Positivum“ verwendet oder auch als Zeitmaschine benutzt werden kann. Im Laufe der Zeit wird die Baustelle nach und nach verschwinden und das Objekt so langsam herausgeschält. (Christa Benzer)
Der primäre Zeitgeber Licht adjustiert die zentrale innere Uhr des Menschen, den Nucleus suprachiasmaticus, und beeinflusst die Synchronisation zahlreicher physiologischer Funktionen.
Eine Vielzahl an psychiatrischen Erkrankungen experimentiert Inkonsistenzen des als zirkadian bezeichneten Systems, welche sich z. B. in Form von Schlafstörungen, manifestieren. Lichttherapie repräsentiert eine etablierte chronobiologische Intervention bei PatientInnen mit saisonal abhängiger Depression (populär bekannt als Herbst-Winterdepression). (Dr. Gerald Pail)
Johannnes Vogl, O.T. (Lichtung), 2009, Intervention
Die Skulptur Lichtung von Johannes Vogl besteht aus einem achteckigen Tarnnetz, das wie ein Baldachin auf einer Wiese durch eine Konstruktion von Stahlstangen aufgespannt wird.
Das Tarnnetz trägt jedoch nicht das typische Militärmuster, sondern besteht aus einer ca. 8 x 8 m großen schwarzen LKW Plane, in welche, wie mit Pixeln, das Bild einer Lichtung, vom Boden aus gesehen, gestanzt und geschnitten wurde.
Betritt man nun den Bereich unterhalb des Baldachins, sieht man eine Lichtzeichnung im Himmel. Sie erscheint, als betrete man eine Lichtung in einem dicht bewachsenen Wald, seitlich ist jedoch die Konstruktion dieser Illusion mit ihren Abspannungen zu sehen. Die achteckige Form der Skulptur bezieht sich sowohl auf den Grundriss von Nomadenjurten, als auch auf die Kassettenmalereien von barocken Kirchenkuppeln.
In dieser Konterkarierung lässt Johannes Vogl eine Oase im urbanen Getümmel entstehen, die durch ihre Bezüge auf Tarnung und Camouflage auf die Risiken zunehmender Anonymisierung anspielen. Als "Augmented Space" ("erweiterten" oder "verdichteten Raum") bezeichnete der russische Medientheoretiker Lev Manovich den uns umgebenden Realraum, der zunehmend mit digitalen Informationen angereichert und durchsetzt ist. Mobile Kommunikationsgeräte ermöglichen es uns, gleichzeitig in realen und in digitalen Datenräumen in Echtzeit präsent zu ein.
Wie verändern diese Technologien, mit denen wir uns (fast) jederzeit und überall in Datenströme einloggen können, unsere Wahrnehmung der urbanen Räume und unser Verhalten?
Die Ausstellung <URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES – CONTINUED> wird vom Verein Künstlergruppe Dynamo und dem Fluc realisiert und von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und der Kulturkommission im 2. Bezirk unterstützt.
Kooperationspartner: ÖBB / MA18 / MA19 / MA28 / MA29 / MA42 / MA46 / 2.BEZIRK