Kunst im Fluc
URBAN SIGNS
LOCAL STRATEGIES
22.10.2008 - 22.12.2008
mit Anna Artaker - Christian Egger - Michael Gumhold - Sonia Leimer - David Moises - Boris Ondreicka - Stefan Sandner - Lucie Stahl Kuration: Ursula Maria Probst, Walter Seidl und Martin Wagner
Die Ausstellung < URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES > im urbanen Raum untersucht das Ineinanderspielen von <ZEICHENSETZUNG – RAUMBILDUNG – SPRACHKRITIK> durch Installationen und Interventionen von Anna Artaker, Christian Egger, Michael Gumhold, Sonia Leimer, David Moises, Boris Ondreicka, Lucie Stahl und Stefan Sandner.
Acht KünstlerInnen setzen sich in ihren Arbeiten, die sie am Bahnhofsvorplatz Ost des Pratersterns, sowie an der Fassade des Kunst- und Veranstaltungsraumes Fluc realisieren mit der Situation und den Brüchen dieses Platzes, der seit 2 Jahren permanent in Transformation ist und auch noch die nächsten Monate als Großbaustelle existieren wird, auseinander.
Schrift- und Zeichen – die Schwerpunkte des Projekts – werden von den KünstlerInnen durch unterschiedliche Kommunikationstypen aufgegriffen und in verschiedenste (skulpturale, malerische, graphische, kinetische, phonetische) Medien so übersetzt, dass durch die einfließende visuelle und sprachliche Semantik ein Gespür für die räumliche und urbane Rhythmik entsteht.
Gleichzeitig üben die KünstlerInnen Kritik an architektonischen, sozialen und kapitalistischen Strategien, die sich speziell an diesem Ort – dem Praterstern manifestieren: Der Praterstern bildet den Schnittpunkt verschiedenster Realitäten, ist Bahnhof und ist Platz, ist Beginn und Endpunkt von Vergnügungs-, Festival-, Messe-, Sport-, Tourismus-, Transport-, Grün- und Erholungs-, Wohn- sowie Arbeitsviertel, und in dieser Dimension den unterschiedlichsten Interessen und Betätigungen unterworfen.
Das Verständnis von Kunst als eine explizite und notwendige Intervention im sozialen und öffentlichen Raum, sowie ihre Widerständigkeit gegen eine tendenzielle strukturelle Vereinheitlichung, Uniformierung und Verflachung urbaner Vielfältigkeit ist allen Werken gemeinsamer Nenner.
Die Ausstellung <URBAN SIGNS – LOCAL STRATEGIES> wird vom Verein Künstlergruppe Dynamo und dem Fluc realisiert und von KÖR - Kunst im öffentlichen Raum Wien, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, der MA7 der Stadt Wien und dem 2. Bezirk unterstützt.
Kuration: Ursula Maria Probst, Walter Seidl und Martin Wagner
Sonia Leimer: „Untitled“, 2008 (Buchstaben-Installation)
Sonia Leimer: „Untitled“, 2008 (Buchstaben-Installation)
Mietbuchstaben, die normalerweise der Werbung im öffentlichen Raum dienen, werden zu einer temporären Skulptur auf dem Platz vor dem Nordbahnhof in Wien aufgebaut. Über den Text "BETON, STAHL, GLAS, 2008", der an den Subtext einer Betitelung erinnert, wird der erst in diesem Jahr erfolgte Umbau des Bahnhofes thematisiert, der schon jetzt ein unverrückbarer Teil des Stadtbildes geworden zu sein scheint. An die aus diesem Bild verschwundenen Strukturen und Subjekte scheint nichts mehr zu erinnern. Durch den Text wird die transparente Architektur, in die sich der Bahnhof jetzt kleidet, auf seine Grundbestandteile reduziert und damit in die Wahrnehmung gerückt. Nach einem Monat werden die Buchstaben wieder abgeholt und gehen andernorts wieder als Werbebuchstaben ihrer Aufgabe nach.
Anna Artaker: „Personenalphabet“ , 2008 (Plakat-Installation)
Anna Artaker: „Personenalphabet“ , 2008 (Plakat-Installation)
Anna Artaker installiert in Manier illegaler Plakatierer ein Personenalphabet bestehend aus Porträtfotos mehr oder weniger bekannter Personen.
So kann jede Aneinanderreihung von Porträtbildern wie ein Wort „gelesen“ werden, sofern der Leser die jeweiligen Personen (er)kennt und namentlich identifizieren kann. Die Lesbarkeit einer Reihe von Bildern ist daher eine Frage des Personengedächtnisses und der Referenzen des Lesers. Die Zusammensetzung eines Personenalphabets hängt also vom Medienkonsum und den Interessen der Person ab, die es erstellt. Das bedeutet auch, dass die Lesbarkeit des Alphabets in dem Maß zunimmt, in dem sich Medienkonsum und Interessen des „Autors“ mit denjenigen der „Leser“ decken.
Christian Egger: \"nature as a genuine audience" , 2008 (Malerei)
Christian Egger: "nature as a genuine audience" , 2008 (Malerei)
Die Wandarbeit "nature as a genuine audience" (2008) zeigt ein letztes mögliches Bild kollektiver Identitätserschütterungen des Subjekts in Konfrontation mit einer durchrationalisierten, dystopischen Landschaft. Die Arbeit kontextualisiert einen sowohl historischen wie auch aktuellen Umgang mit Natur.
Michael Gumhold: „o.T“ , (Open Air : Stage : Rehearsal : Room #11), 2008 (Skulptur)
Michael Gumhold: „o.T“ , (Open Air : Stage : Rehearsal : Room 11), 2008 (Skulptur)
„Traversen in der Veranstaltungstechnik sind Trage- und Aufbaukonstruktionen.
Meist bestehen sie aus Aluminium, aber auch solche aus Stahl sind sie durchaus verbreitet. In der Licht-, der Bühnen- und der Tontechnik werden meistens Scheinwerfer oder Lautsprecher an Traversen angebracht.“
Den Status Quo der Installations- und Interventionskunst befragt Michael Gumhold mit seiner 5 m hohen Skulptur „o.T“, (Open Air : Stage : Rehearsal : Room #11) indem er die künstlerischen Ökonomien formal und strukturell auf die urbane Situation im Außenraum des Fluc ausrichtet. Gumhold agiert aus einem antimonumentalen Gestus heraus und eignet sich Baumaterial an, indem er mit Traversen ein skulpturales Objekt konstruiert, welches auf das Umfeld des Pratersterns, wie beispielsweise auf die Konstruktion des Wiener Riesenrads, die Grossbaustelle und die Veranstaltungspraxis des Fluc anspielt. Durch die Installation im Außenraum wird nicht nur eine kontextuelle Verschiebung bewirkt, sondern die Gesamtorchestrierung urbaner Besetzungsmöglichkeiten abgetestet. Gumhold untersucht die so ausgelöste veränderte urbane Raumwirkung auf die BetrachterInnen und PassantInnen.
David Moises: „Volume Unit Meter“ , 2008 (Kinetische Installation)
David Moises: „Volume Unit Meter“ , 2008 (Kinetische Installation)
David Moises rekombiniert interventionistische Praktiken der Skulptur des Ready-Mades, der kybernetischen Kunst, der Übersetzung von Sound in visuelle Signale und der Performance Kunst. In seiner Installation im Außenraum am Praterstern mit dem Titel „Volume Unit Meter“ montiert David Moises ein Drehspulinstrument in der überdimensionalen Größe von 1m x 1,5m, wie wir sie von Kompaktkassettenrekordern kennen. Das Instrument als Übersetzungsblatt von musikalischen Notationen, setzt optische Signale frei. In der Präferenz von strukturellen gegenüber formalen Eigenschaften unterscheiden sich David Moises Interventionen von anderen ortsbezogenen Praktiken. Mit diesem Eingriff vermag der Künstler, eine Position zwischen dem Ort, dem urbanen Raum und seiner wandelnden Performativität sowie den Befindlichkeitsebenen von städtischer Mobilität einzunehmen. In diesem Zusammenhang ist der Begriff des „already made“ anwendbar, um auf die gesellschaftliche Verwendung von Instrumenten und deren Funktion im urbanen Raum hinzuweisen. David Moises transformiert ein Drehspulinstrument und dessen Pegelaussteuerung zu einem Indikator visueller Signale im urbanen Raum.
Boris Ondreicka: „Ding Dong Band – Stand Under“ , 2008 (Sound-Installation)
Boris Ondreicka: „Ding Dong Band – Stand Under“ , 2008 (Sound-Installation)
Wie private und öffentliche Zonen des urbanen Raumes sich mit körperlichen Aspekten von Intimität und instinktiven Handlungsabläufen verschränken, thematisiert Boris Ondreicka in seiner für die Fluc Fassade konzipierten Soundinstallation, in welcher er Übergangssituationen aufgreift. Dabei werden jene Grenzen vermessen, welche zwischen Individuum und Außenraum existieren und durch via Ton eingespielte Sprachcollagen die Möglichkeiten kommunikativer und schützender Maßnahmen zur Festlegung ökonomischer, politischer, privater und kultureller Territorien durchgespielt.
Lucie Stahl: „Structure Alloy“ , 2008 (Plakat-Installation)
Lucie Stahl: „Structure Alloy“ , 2008 (Plakat-Installation)
Für eine der Straße zugewandten Anzeigentafel wird ein Poster produziert.
Wien ist die Stadt der weltweit höchsten Plakatdichte. Im Unterschied zu TV-, Radio- und Zeitungswerbung kann den kommerziellen Botschaften und der suggestiven Wirkung von Werbung im urbanen Außenraum kaum jemand entkommen. Während die kommerziellen Plakatflächen immer mehr expandieren, werden die Nutzungsflächen für Kultur immer knapper und eingeschränkter.
Die De-Regulation und die De-Balance dessen, wie öffentlicher Raum infolge von Großveranstaltungen von kommerziellen Zeichen besetzt wird und die Meinungsfreiheiten ausgrenzt, bilden einen weiteren Aspekt dafür, künstlerisch den kulturellen Handlungsspielraum erneut zu erweitern.
Stefan Sandner: O.T. , 2008 (Malerei)
Stefan Sandner: O.T. , 2008 (Malerei)
Stefan Sandner arbeitet in seiner Malerei mit Schriftzügen, die keinem Schrift Gestus folgen, sondern Abbildungen von Schrift, die er wie jedes andere Motiv malerischen und formalen Analysen unterzieht. Neben kalligrafischen Ornamenten finden sich handschriftliche Notizen, welche mit dem Effekt des Wiedererkennbaren operieren, aber auch nicht lesbare Notizen oder kaum dechiffrierbare Schriftzüge einbeziehen. Dass hinter den aufgegriffenen Notizen Menschen stehen und dadurch persönliche Bezüge und defacto neue Formen der Porträtmalerei entwickelt werden, löst Sandners Eingriff in den urbanen Raum aus einer narrativen Semantik.