Kunst im Fluc
Urban Signs
Andrea Ressi
15.09.2002
fluctuated images: wechselnde Bilder im flüchtig hier ansässigen fluc, an einem Ort des Übergangs, der das Improvisierte formuliert – am Praterstern, einem Ort der Bewegung. Bewegung im Tagesablauf der Passanten, Veränderung in der Belegung der Geschäftslokale, Bewegung in der städtebaulichen Entwicklung. Der Ort der umsatzstärksten Billa-Filiale von Wien. Ort des Transits, des Wechsels zwischen verschiedensten Verkehrsmitteln und des schnellen Essens. Ort unterschiedlichster Sprachen, Herkünfte und Zielorte, mit dem fluc als Oase von spröder Heimeligkeit. Ein Reservat unterscheidlichster urbaner Versatzstücke und ein System einander überlagernder heterogener Zeichensysteme, wie es das städtische Leben der Moderne kennzeichnet.
Die Vorstellung der Stadt als sprachähnliches Zeichensystem ist so alt wie die Moderne.
Vor 120 Jahren entstand in Wien die physikalische Wahrnehmungstheorie von Ernst Mach: Das Ich verlor seine unveränderliche, scharf begrenzte Einheit und löste sich in einzelne Sinneseindrücke auf. Fritz Mauthner führte in seiner 1901 erschienenen 'Sprachkritik' Machs fragmentierte Wirklichkeitssicht auf die sprachliche Ebene zurück: Das Wort ist nicht mehr eindeutiges Gehäuse der Dinge, sondern nur mehr subjektives Erinnerungszeichen.
In den sechziger Jahren untersuchte Roland Barthes die komplexen Funktionen von Zeichen und Begriffen: "Wir glauben in einer praktischen Welt der Verwendungen, der Funktionen und der totalen Domestikation des Objekts zu leben und sind in Wirklichkeit, durch die Objekte, auch in einer Welt des Sinns, der Vernunftgründe und der Alibis: Die Funktion bringt das Zeichen hervor, aber dieses Zeichen wird in das Schauspiel einer Funktion zurückverwandelt. Ich glaube, gerade diese Umkehr der Kultur in Pseudonatur kann die Ideologie unserer Gesellschaft definieren."
"urban signs", Andrea Ressis Arbeit für das fluc, thematisiert die Landmark-Funktion abstrakter Firmen-Logos. Manche überlagern sich mit kartografischen Symbolen, etwa der Baum im "Spar"-Logo, das in den sechziger Jahren von Raymond Loewy entworfen wurde. An den ortlosen Orten, den non-places der modernen Stadt, die immer wieder den Ausgangspunkt für Andrea Ressis Arbeiten bilden, sind diese Logos auch abstrahierte Orientierungspunkte, die der lokalen Präzisierung dienen. Sie prägen die Wahrnehmung urbaner Strukturen und haben bereits Eingang in das kulturelle Gedächtnis gefunden. Als abstrahierte Abstraktionen rufen sie ihrerseits unterschiedlichste Assoziationen hervor.
Anstelle der Corporate-Identity-Farben der Konzerne tritt hier eine zurückgenommene, gebrochene Farbpalette. Anstelle der Firmennamen stehen Begriffe, die die Ambivalenz des Ortes thematisieren – nowhere, void, transit, vacant, anonymous, temporary. Diese Begriffe lassen sich zu Versatzstücken von Sätzen zusammenfügen oder als Einzelwörter lesen. Wie reale Geschäftsreklame wenden sie sich nach außen, zum Passanten, und fordern mit ihrer verschobenen Semantik zu einer neuen Wahrnehmung der eigenen Umgebung auf.
[ Text: Iris Meder]