Kunst im Fluc
IN DER KUBATUR DES KABINETTS - der kunstsalon im Fluc zeigt:
SENSES OF PLACE IN A MULTICENTERED SOCIETY
Mittwoch, 15. Oktober 2014
mit Nikola Hansalik, Ricarda Denzer, Ryo Ikeshiro, Evelyn Loschy, Anja Manfredi, Jaime Ruiz Otis, Toni Schmale, Walter Seidl/Stefan Geissler. DJ Kessy Lux. Kuratiert von Ursula Maria Probst. Eine Kooperation mit Bundeskanzleramt und KulturKontakt Austria
Senses of place in a multicentered society
Wer
ist Teil der Stadt und wem gehört sie, wer macht sie, und wie passiert das? In
den Raumwissenschaften haben sich diese Phänomene in Theorien und Konzepten
niedergeschlagen, die deren Verschränkungen und Überlagerungen mit Netzwerken
von Infrastrukturen untersuchen und die komplexen Austauschprozesse einer
Sozionatur erforschen. Dabei werden binäre Denkkonstellationen wie Natur und
Kultur, sowie herkömmliche Objekt- und Subjektpositionen hinterfragt.
Mit dem “spatial turn” seit den 1980er Jahren ist die Räumlichkeit zu einem Schlüsselthema der Geistes- und Kulturwissenschaften avanciert. Insbesondere die Geographie, die Soziologie und die Ästhetik haben die Wende im medialen, sozialen, politischen und ästhetischen Raumdenken eingeläutet. In der Publikation „The Lure of the Local: Senses of Place in a Multicentered Society“ (1998) verknüpfte die amerikanische Kunsttheoretikerin Lucy R. Lippard soziokulturelle Studien, historische Narrative über Landschaften, urbane Räume und deren Kartografien mit geopolitischen Fragestellungen und Gegenwartskunst, um eine inspirierende Studie über unsere verschiedenen Erfahrungen und Wahrnehmungen von Plätzen anzustellen. Heute befinden wir uns zunehmend in einer Epoche der Simultanitäten, Gegenüberstellungen, Parallelabläufe und Zerstreuung - der gleichzeitigen Nähe und der Ferne, wie Michel Foucault es bezeichnete. Wenn Raum das ist, wo Kultur lebt, dann gilt es immer wieder aufs Neue sich von Stereotypen im Umgang mit Gemeinschafts- und Kontrollbegriffen zu befreien.
Welche Rolle nehmen Künstler_Innen in der Gesellschaft ein? In welchen Räumen agieren Künstler_Innen heute? Bis in die 1980er Jahre war das Selbstverständnis der Architekten_Innen als den „Gestalter_Innen von Gesellschaft“ noch fast ungebrochen. Heute ist Gesellschaft stark von ökonomischen Interessen geprägt, abschreckendes Beispiel dafür ist das Wiener Wiesn Fest im Prater. Die PPP (Public-Private Partnerships) haben in den vergangenen Jahren das Public dem Private-Interesse und einem Lobbyismus untergeordnet. Hypotopien und Smart Cities sind gängige Schlagwörter.
Künstlerische und urbane Interventionen basieren häufig auf Eigeninitiative oder werden durch Kunstprogramme initiiert. Wie gehen Künstler_Innen mit in diesem Kontext auftauchenden Erwartungshaltungen um? Wie gelingt es, Widerstände einzubauen und Konflikte unserer Parallelgesellschaften und deren Online- und Offline-Welten offen zu legen, ehe das System von kippt?
Welche Communities wollen KünstlerInnen ansprechen? Der kalifornische Kunsthistoriker Grant Kester definiert Community als notwendigerweise komplex. Er warnt vor einer vereinfachenden Beschwörung von Community, vor allem, wenn eine Person im Namen von anderen spricht. Dies bedeutet in weiterer Folge, dass niemand die Rolle und Verantwortung für jemand anderem übernehmen kann – sondern Fragestellungen nur in einer neuen, Disziplinen überschreitenden Form verhandelt werden können. (Ursula Maria Probst)
Nikola
Hansalik, Untitled. The Muse(um) and I, 2014, Außen-Installation
Nikola Hansalik nimmt in ihrer neuen Werkserie den Entwurf eines Madeleine Vionnet Haute Couture Kleides und dessen geometrisches Grundmuster zum Ausgangspunkt, um im weiteren Verlauf aus Architektur (Grundriss)plänen bekannter internationaler Ausstellungshäuser, wie dem Museum of Modern Art New York oder der Tate Modern in London, Kostüme und Lederobjekte zu entwickeln, die getragen zu temporären Skulpturen werden.
Ricarda
Denzer, kapı açık, 2013/14, Video, 17´29``
Eine Zeit lang trat für mich im Bezirk Cihangir in Istanbul so etwas wie eine Regelmäßigkeit im Ausnahmezustand ein. Ab 16 Uhr Nachmittags zogen sich die Strassenverkäufer und Vorsichtigen aus den Straßen und Cafés zurück. Nachts rief der Nachbar von gegenüber den flüchtenden Demonstranten der Gezi Proteste von seinem Fenster aus: “kapı açık“ – "Die Tür ist offen" zu, damit sie sich in seinem Haus vor der Polizei in Sicherheit bringen konnten. Ein Zeitfenster im Frühsommer 2013 macht in der Video-und Soundarbeit “kapı açık“ die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher historischer Zeiten Istanbuls, durch die von Außen durch das offenen Fenster nach innen drängenden Klänge der Stadt spürbar. Das Atelierfenster gibt dabei den Bildausschnitt vor. (Ricarda Denzer)
Ryo
Ikeshiro, Construction in Kneading, 2014, Multimediale Installation
Construction in Kneading is an immersive live generative audiovisual work. It is a speculative inquiry into a virtual life form based on the Mandelbox, an n-dimensional fractal inspired by the famous Mandelbrot. Its recursion formula resembles the actions of kneading dough in bread making, similar to the baker’s map. The abstract inner-workings of the algorithmic entity are presented in the sensory realm as sound and moving image, mirroring the increasing blurring of boundaries between the online and offline worlds today. It is a live “audiovisualisation”, the simultaneous real-time sonification and visualisation of the same data source data without either sound or moving image following the other as in most VJ practice and visualisations. A performance consists of an unpredictable improvised duet/duel between a human and a machine, where the performer attempts to understand and control the emergent system. (Ryo Ikeshiro)
Evelyn
Loschy, Entkoppelung, 2012, Video / Stop-Motion / 1:32 min. (loop) / 4:3
PAL / bw / Sound
Ein Stop-Motion-Video, zeigt die Künstlerin in Aktion mit den BHs ihrer Großmutter – ein Spiel wie ein Kampf, eine Entkoppelung von (veralteten) Denkschemata, die mittels Sound einer mechanischen Schreibmaschine codiert hörbar sind.
Anja
Manfredi, „Grauzonen“, 2014, Teotihuacán, Mexiko,, 27- teilige Dia Serie,
Außeninstallation
Die „grey arena“ von Teotihuacán in Mexiko ist ein Ort in dem verschiedene geopolitische und historische Kontexte von Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Umbrüche und Uneindeutigkeiten vorhanden sind. In einer Grauzone befindet sich das Undefinierte und steht für ein Dazwischen. Die Farbe GRAU möchte ich mit dem Begriff der Geste übersetzten, als eine „Mitteilung einer Mittelbarkeit“, formulierte es Giorgio Agamben, und weiter „Die Geste ist eine Potenz, die nicht in den Akt übergeht, um sich in ihm zu erschöpfen, sondern als Potenz im Akt verbleibt und in ihm tanzt.“ GREY DANCE zwischen reinem Weiß und puren Schwarz. In welche Richtung wird die Bewegung gehen? (Anja Manfredi)
Jaime
Ruiz Otis, Triangle, 2014, Außeninstallation
Jaime Ruiz Otis feels astonished and attracted by the large amount and wide variety of materials that he randomly find in dumpsters. The diversity, malleability and qualities of such materials trigger his ideas and forms. They are also crucial in defining the kind of media and compositions that he employs. The artist finds detritus not as waste but rather as an opportunity for artistic exploration. Ruiz Otis pursues to find the most appropriate use and function among the unusual shapes and features that he discovers. Through his practice this artist meditates upon the existence, and the very origin of life- the micro and the macro.
Toni Schmale, i hid my face in her burning lap, Beton, 2014, 38x55 cm
In
ihren vielschichtigen Objekten, Filmen, Animationen und Installationen
hinterfragt Toni Schmale Geschlechterkonstruktionen in sozialen und
gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Heteronormative Strukturen werden
sichtbar gemacht und mittels diskursiven Methoden mit Gender und
Transidentitäten neu verhandelt.
Walter Seidl/Stefan Geissler, Beyond Darkness, 2009, Foto-Soundinstallation, 2 min 44 sec, Fotos: Walter Seidl, Text & Voice-over: Walter Seidl, Musik: Stefan Geissler, Produktion: Stefan Geissler & Walter Seidl
Das Foto-Soundprojekt Beyond
Darkness verfolgt Momente in urbanen Zonen, die unheimliche und bedrohliche
Szenarien heraufbeschwören. Unterschiedliche textuelle Informationen verweisen
auf die Möglichkeit des Eintreffens unerwarteter Ereignisse. Die
überdimensionale Betonung von möglichen Gefahrenzonen als Teil des öffentlichen
Raumes in den USA wurde in den letzten Jahren zunehmend zu einem Thema
neoliberaler Politik. Graffiti, das einen Rückzug der Soldaten aus dem Krieg
einfordert, nivelliert die Sicht auf den vermeintlichen Terror im eigenen Land
durch staatliche Kriegssanktionen im Ausland. Zahlreiche Nachtaufnahmen
untermauern das scheinbare Gefühl der Unsicherheit, das durch eine
flächendeckende Videoüberwachung konterkariert wird und eine gleichzeitige
Allgegenwärtigkeit aber auch Entfremdung des Individuums mit sich bringt.
(Walter Seidl)
Anja Manfredi, Grauzonen, 2014, Teotihuacán, Mexiko
Nikola Hansalik, Untitled. The Muse(um) and I, 2014; Jaime Ruiz Otis, Triangle, 2014
Toni Schmale, i hid my face in her burning lap, 2014, Beton 38x55cm
Walter Seidl/Stefan Geissler, Beyond Darkness, 2009, Foto-Soundinstallation, 2 min 44 sec. Courtesy the artists
Ricarda Denzer, kapı açık, 2013/14, 2 Stills aus Video, 17´29``
Evelyn Loschy, Entkoppelung, 2012, Video / Stop-Motion / 1:32 min. (loop) / 4:3 PAL / bw / Sound