Kunst im Fluc

HELMUT & JOHANNA KANDL

25.06.2003 - 20.07.2003

'Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt'.



Wie sich durch politische Veränderungen Gesellschaften konstituieren und das Bewusstsein der Menschen mitprägen, ist ein zentrales Thema von Johanna Kandls Malerei und ihren performativen Projekten, die sie seit 1997 gemeinsam mit ihrem Ehemann Helmut Kandl realisiert. Die gesellschaftlichen Umstrukturierungen und die Umbrüche nach der Wende in den neunziger Jahren durch den Zerfall des Ostblocks und dem Bürgerkrieg in Jugoslawien bilden den Ausgangspunkt.

In fremde Länder zu reisen, die nicht gerade im Trend der Tourismusindustrie liegen, sondern die sich durch politische Instabilität und ökonomische Umwälzungen auszeichnen, ist das politische Konzept von Helmut & Johanna Kandls Kunst. Ihre Reiseziele sind Aserbaidschan, Russland, Rumänien, Georgien oder die Grenzgebiete Deutschlands, Tschechiens und Österreichs. Es ist nicht der Reiz exotischer Fernreisen, der sie in die Fremde treibt, sondern das Verlangen an den Schauplätzen, wo sich Geschichte in die Trivialität des Alltages einschreibt, präsent zu sein. Die dabei entstandenen Schnappschüsse dienen als Vorlage ihrer großformatigen Bilder und Videos.


Kandls ProtagonistInnen versuchen, meist auf illegalen Marktplätzen oder im Niemandsland an Grenzzonen, ihr Glück. Während Kandls Bildsujets ernüchternd wirken, eröffnen Texte wie "Ein Gefühl im Bauch hat mir gesagt: Du kannst mehr erreichen" eine weitere sozioökonomische Dimension. Johanna Kandl entnimmt ihre Slogans der Coachingliteratur von ManagerInnen. Das Bild mit dem Slogan "Jede Frau hat das Zeug zur Millionärin" kann weniger als eine Ironie des Schicksals gelesen werden, denn als ein Appell dem Diktat des Neoliberalismus Parole zu bieten.

Nach der Wende entstand zwischen Österreich und Tschechien eine 'Freizone' des Marktes, die nach ihren eigenen Regeln funktioniert, sich ihre eigenen Gesetze schafft und die Gewerbeordnungen und den sozialen Schutz für ArbeitnehmerInnen ignoriert. Hier geht es um das schnelle Geld, wo jeder versucht, sein Glück zu machen. Freibeuter des Glücks wie Spieler, Prostituierte, selbstorganisierte Kleinstunternehmer treffen in diesem Niemandsland aufeinander. Johanna Kandl fühlt sich heute noch durch ihre Herkunft als Kind einer Farbenhändlerin, die schließlich durch die Inversion von Baumärkten das Geschäft schließen musste, solidarisch mit dem Gewerbe der KleinhändlerInnen und jenen, die ums Überleben kämpfen, verbunden.


An den Galerien- und Ausstellungsbetrieb stellt sie die Forderung, ihr Angebot an Dienstleistungen zu erweitern und sich nicht bloß auf den Vertrieb von Kunstobjekten zu beschränken. Sie selbst hat als Künstlerin vermehrt ihr Handlungsfeld ausgedehnt und außerhalb des Betriebssystem Kunst an Auftragsarbeiten in Betriebsstätten und im öffentlichen Raum mitgewirkt. Anlässlich des Projekts 'Kenne ich Sie nicht?' im Rahmen der Ausstellung x-squared in der Wiener Secessions (1997) organisierten Helmut & Johanna Kandl mit AusstellungsbesucherInnen Betriebsbesichtigungen bei Unternehmen, deren BesitzerInnen Mitglieder im Verein der Freunde der Wiener Secession sind.

(Textfragmente aus Monografie Ursula Maria Probst, Johanna Kandl, Eine Kämpferin fürs Glück, Kunstforum International Band 164, März- Mai 2003 und Ursula Maria Probst, Johanna Kandl, Und immer wieder geht die Sonne auf, artmagazine)
Sponsoren